Finnland und Norwegen

Finnland und Norwegen

Es war nun das erste Mal nach über zwei Jahren dass ich mit dem Fahrrad wieder die europäische Union bereiste. Die letzten Kilometer in Russland führten durch einen dichten Fichtenwald und leichter Nebel kam auf. Über den Grenzübergang bei Vyborg sollte es zu meiner ersten finnischen Stadt gehen, Lappeenranta. Die russische Grenzbeamtin konnte kein englisch sprechen und so ließ sie mich, unüblicherweise, ohne Befragung weiter ziehen. Die finnische Grenzbeamtin jedoch sprach english und befragte mich rund 15 Minuten bevor ich weiter reisen durfte.
Ich war nun endlich angekommen. Ich besuchte Finnland zum ersten Mal und war gespannt darauf welche Erfahrungen ich in dem Land machen würde.

Ankunft in Finnland

Anders als in Russland erwartete mich hier der Winter von seiner wahren Seite. Soweit ich gucken konnte war die Landschaft war zugeschneit, doch soweit konnte ich gar nicht blicken. Ein dichter Nebel versperrte die Sicht und so sah ich zu Beginn kaum etwas von Finnland und seinen berühmten Fichtenwälder.

Schnee und dichter Nebel


In der Nähe von Lappeenranta bei Lemi, fand ich eine ältere Dame die mich aufnahm und ich konnte mich gut erholen. Sie war gebürtige Finnin und lebte mit ihrem Exmann 14 Jahre in England. Ihr Englisch war ausgezeichnet und sie erzählte mir von ihren Reiseerfahrungen. Hier kam ich auch das erste Mal mit der berühmten finnischen Sauna in Kontakt und mir wurden freudige Erfahrungen versprochen.
Da mein Weg mich in den Norden und anschließend wieder in den Süden führte, ließ ich einen Teil meines Gepäcks bei ihr Zuhause um es auf dem Rückweg wieder einzusammeln. Ich versprach mir davon eine leichtere Fahrt und zog los.

Über Mikkeli und Juva fuhr ich zum kleinen Dorf Virtasalmi und wurde zu Weihnachten von einer deutschen Familie eingeladen. Sie lebten etwas abseits des Dorfes und besaßen eine kleine Farm. Es war wunderschön anzusehen, der tief verschneite Fichtenwald und die Symphonie der Stille, welche mich in einen ruhigen Gemütszustand brachte. Die Familie war über aus nett und hilfsbereit und wir verbrachten schöne Weihnachtstage zusammen bevor ich weiter fuhr.

Weihnachten auf der Farm
Verschneiter Wald

Dieses Mal war Kuopio mein Ziel. Der Weg wurde immer beschwerlicher und die kurzen Tage machten die Fahrt auf der Autobahn immer gefährlicher. So entschloss ich mich mein Fahrrad in Kuopio zu lassen und per Anhalter weiter zu reisen. Rückblickend gesehen war es eine überaus weise Entscheidung die mich zur Verwirklichung meines Traums führte.
Mit meinem schweren Gepäck ging es dann weiter und teilweise war es ein langer Fußmarsch durch Schnee und Eis bis ich einen Platz erreichte an dem ich nach einem Auto fragen konnte.

Angekommen in Oulu sah ich zum letzten Mal die Sonne. Es war Mittags und sie stand auf ihrem höchsten Punkt. Ganz knapp über dem Horizont strahlte sie mir entgegen, quasi ein Abschied bevor ich mich zum Norden wandte und meinen Weg fortsetzte.

Die Sonne am höchsten Punkt


Die Straße setzte sich nur aus weiß, grün und braunen Farben zusammen. Die verschneiten Fichten symbolisierten den finnischen Winter und der Weg sah einem langen Flur ähnlich, ein Flur der einen verrückt werden lassen kann.
Je weiter ich in den Norden vorstieß desto weniger besiedelte Gebiete lagen auf dem Weg und es wurde stiller. So erreichte ich schließlich die Stadt Rovaniemi, die letzte große Stadt auf dem Weg und gleichzeit die Grenze zum Polarkreis, der Punkt an dem die Sonne nicht mehr aufging. Es folgten Tage der Stille, der eisigen Kälte und der Dunkelheit. Teilweise stand ich für mehrere Stunden alleine im dunklen Wald und wartete verzweifelt auf ein Auto dass mich mitnahm.

Ich, alleine im Wald

So schaffte ich es noch irgendwie Norwegen zu erreichen und in der ersten Stadt Karasjok hatte ich direkt Glück. Ich kam an und hatte keine Unterkunft. Die Schlafplätze waren viel zu teuer für mich und es wurde Nacht. Ich wanderte durch die Straßen und traf auf einen „haarigen Reisenden“. Sein Name war Georg und er kam aus Schottland, er war ein Reisender anderer Art. Seine Reise bestand darin so weit wie nur möglich von der Gesellschaft entfernt zu sein. Er hasste das System und die unmenschliche Seite des Kapitalismus. So fand er Zuflucht im hohen Norden und bevorzugte die Kälte der Natur statt des Menschen. Da er auch per Anhalter reiste fand er einige Freunde und wohnte nun in Karasjok bei Michael und seiner Mutter.

Als er mich traf rief er Michael an und fragte ob ich wohl auch bei ihm übernachten dürfte und Michael stimmte zu. Michael gehörte zu den Samen, ein indigenes Volk im Lappland. Er erzählte mir viel von seiner Kultur und wissbegierig hörten wir ihm zu. Georg beschloss sich mir anzuschließen und wollte mich zum Nordkap begleiten. Am nächsten Tag ging es auch schon los und es war ein länger Fußmarsch durch den Schneesturm bevor wir unseren Platz erreichten.

Wir warten im Schneesturm
Der Marsch zur Hauptstraße

Wir stellten uns an die Hauptstraße und der kalte Wind bließ uns den Schnee ins Gesicht und es verging einige Zeit bis die ersten Auto vorbeifuhren. Wir erwischten ein Auto das uns bis nach Lakselv brachte und von dort aus nahmen uns zwei Fischer aus Estland mit. Sie luden uns in ihr Haus ein und wir übernachteten dort. An dem Abend ging ich raus zum spazieren und ein grünes Band, leicht schimmernd, zog sich über den Himmel. Es waren meine ersten Polarlichter und somit erfüllte ich mir meinen Traum. Ich hatte mein Ziel erreicht und konnte mein Glück nicht fassen, so ein faszinierendes Naturschauspiel hatte ich nicht erwartet.

Meine ersten Polarlichter


Motiviert ging es am nächsten Tag weiter und ich war mir sicher dass wir nun das Nordkap erreichen werden. Die Fahrt führte bei schwachem Tageslicht am Barentsmeer entlang, ein Randmeer des arktischen Ozeans. Immer wieder stoppten wir da die Straßen wegen des Schneefalls gesperrt waren. Die Sperre dauerte manchmal Stunden an und ein Schneeräumer fuhr vor und die Autos als Konvoi hinterher, spätestens hier wäre es mit dem Fahrrad vorbei gewesen.

So erreichten wir Honningsvag, einer der nördlichsten Städte der Welt. In der Zwischenzeit lernten wir zwei Deutsche kennen die uns mit zum Nordkap nahmen. Ihr erklärtes Ziel war es Nordlichter zu sehen doch die Chance war wegen der Wolkendecke sehr gering.
12 Kilometer vor dem Nordkap erreichten wir die letzte Sperre und mussten knapp fünf Stunden warten. Als sich dann ein kleiner Konvoi bildete ging es auch los und wir folgten dem Schneeräumer das letzte Stück und kamen schlussendlich an.
Ich hatte es geschafft, ich war endlich am Nordkap. Nach einer vier monatigen Reise durch die Wüste des Irans, dem hohen Gebirge im Kaukasus und dem kalten Winter in Skandinavien, hatte ich mein Ziel erreicht. Ich stand vor dem Globus und konnte die Zielerreichung nicht realisieren.

Kurz vor dem Nordkap
Ich bin am Ziel


Über uns zog sich erneut ein grünes Band am Himmel. Meine Begleiter blickten nach oben und stießen ein Stöhnen der Begeisterung aus. Die Nordlichter tanzten am klaren Himmel und bescherten uns ein Finale der besonderen Art. Sie tauchten auf und verschwanden immer wieder, so wie sie auch die Farbe wechselten. Es waren Momente pures Glückes und jede Strapaze der Reise war es wert um diesen Moment zu erleben.
Bald schon drehten wir uns um und mit jedem Schritt den ich mich vom Nordkap entfernte, starte ich meine Reise zu meinem nächsten Ziel.

Es geht weiter, mit meinem Hut um die Welt.

Das Video zu dieser Tour könnt ihr euch hier ansehen.